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"Der Neue Tag" vom 04.05.2005 "Nur für harte Kerle gibt's hier was zu ernten"
04.05.2005  | Netzcode: 10712081
Nur für harte Kerle gibt's hier was zu ernten
Knochenjob auf den Spargelfeldern in Neubau - Reinhard Brunner: Ohne slowakische Helfer "wäre ich aufgeschmissen"
Weiden. Der Selbstversuch scheitert kläglich. Also, wie nochmal? Ein bisschen Erde rund um den Spargelkopf wegbuddeln, auf dass die linke Hand den Stängel packen kann. Die rechte umklammert das Messer, das sich nun auf gefühlte 20 Zentimter in den Boden bohren soll. Bis es auf die Pflanze stößt. Moment ... spüren wir da nicht schon einen Widerstand?


Wir rammen das Eisen rein. Und offenbar vorbei. Denn als wir die vermeintlich lose Spargelstange mit einem souveränen Ruck aus dem Boden ziehen wollen, reißen wir ihr den Kopf ab. Unser Redakteur, der große Spargelstecher - selten so gelacht! Genauer: Reinhard Brunner lacht. Der Redakteur ist fast so geknickt wie die Stange.

Keine einfache Arbeit

"Spargelstechen ist halt keine einfache Arbeit", stellt der Landwirt fest. Er meint damit nicht nur dieses In-die-Erde-Bohren im Blindflug, "das Gefühl für die Pflanze", das sich durch den Arbeitshandschuh hindurch entwickeln müsse. Er meint damit auch die Anstrengung, drei Stunden am Stück in gebückter Haltung über den Acker zu wandern. Eine Strecke von zusammengezählt fünf Kilometern. Und das zweimal pro Tag. Brunner meint den allabendlichen Muskelkater, die ständigen Rückenschmerzen während der Erntezeit zwischen Mitte April und Ende Juni. Wie ging es Franz Stasko gestern Abend? Der Erntehelfer lächelt gequält: "Fragen Sie lieber nicht."

Dabei ist der 36-Jährige harte Jobs gewohnt. Das knappe Shirt spannt sich über den muskulösen Oberkörper. In der Slowakei verdient Franz sein Geld als Bauarbeiter. Deutlich weniger natürlich, als ihm der Einsatz auf Brunners Spargelfeldern in Neubau einbringt. Sechs Euro pro Stunde bekommt er hier - für ihn "gutes Geld". Und eine gute Investition für Reinhard Brunner, der seit sechs Jahren auf die Dienste des Slowaken schwört. Franz hat mal mitgezählt: In einer Stunde befördert er bis zu 600 Stangen ans Tageslicht. Der Landsmann, der für das Wegschaffen der vollen Körbe und das Auf- und Zudecken der Plastikplanen zuständig ist, hat an dieser Mordsleistung schwer zu tragen.

Insgesamt fünf Slowaken heuerte Weidens einziger Spargelbauer für die Ernte 2005 an. Sie kommen zeitlich versetzt, denn jeweils nach 50 Tagen erlischt die Arbeitserlaubnis. Auf Brunners Hof haben sie freie Kost und Logie, sind "absolut ins Familienleben integriert", wie der 42-Jährige berichtet. Früh, mittags und abends sitzen sie mit Reinhard und Helga Brunner und den Kindern am Tisch. Für den Chef sind die Slowaken unersetzliche Helfer - letzteres sagt der Landwirt in Richtung jener Politiker, die künftig mehr deutsche Arbeitslose aufs Feld beordern wollen. Brunner hat da so seine Erfahrungen ...

"Ich brauche zehn Tage, bis ich einen Neuen so weit angelernt habe, dass er vernünftige Arbeit abliefert", berichtet er. So lange aber hielt noch kein Deutscher durch. Im letzten Jahr warf eine von der Arbeitsagentur vermittelte ABM-Kraft, "Ende 40", nach sieben Tagen das Handtuch. Ein junger deutscher Arbeitsloser war bereits fest eingeplant für die Helfertruppe - und sagte einen Tag vor dem Einsatz ab. Erst am Donnerstagmorgen übte sich ein weiterer Jobsuchender in der Knochenarbeit. Um dann festzustellen: "Das ist nichts für mich."

Feldarbeit im Urlaub

Freitag, 8 Uhr. Ein klarer Morgen. Die Luft ist kalt, doch Jan Schwarz steht der Schweiß auf der Stirn. Zwei Stunden Bücken und Stechen hat er hinter sich gebracht, eine weitere liegt vor ihm. Und am Abend die nächste Drei-Stunden-Schicht. Schon jetzt "tut mir alles weh", bekennt der deutschstämmige 55-Jährige. In der Slowakei ist er Elektromechaniker bei der Bahn. "Da arbeitet man mehr mit dem Kopf." Für die Spargelernte, zu der er über Kontakte zu seiner Pirker Verwandtschaft kam, nimmt er freie Tage. "Urlaub auf dem Bauernhof" mal anders. Ein Übermaß an Erholung ist hier nicht gerade geboten.

"Ich habe nichts dagegen, auch mal deutsche Arbeitslose zu beschäftigen", merkt der Chef an. "Wenn ich mein Produkt in der Region verkaufen will, muss ich auch was für die Region tun. Aber ganz ohne die Slowaken wäre ich absolut aufgeschmissen." An diesem Morgen (ver-)suchen noch andere Helfer ihr Glück in 20 Zentimetern Tiefe: junge Landwirtschaftsschüler, die zum Praktikum antreten. Dem ungeschickten Redakteur zum Trost. Ein zaghafter Stich, ein beherzter Ruck - und der Schüler beendet seinen ersten Versuch, indem er das kümmerliche Ende einer abgebrochenen Spargelstange in der Hand hält. Reinhard Brunner demonstriert nochmals, wie's geht. Es geht zack-zack bei ihm. "Seht ihr? Ist doch ganz einfach!" Selten so gelacht.
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